Samstag, 16.03.2019

Gedanken zu Christchurch & Wochenrückblick

Hallo ihr Lieben,

vorab - danke euch allen für eure Nachrichten und Nachfragen gestern und heute.  Mir geht es gut und ich bin dieses Wochenende in Dunedin, habe von dem Terroranschlag in Christchurch gestern also nicht unmittelbar etwas mitbekommen. Trotzdem war ich wie alle anderen hier absolut geschockt, als ich gestern Abend über E-Mails erfahren habe, was passiert ist. Obwohl ich erst seit einem Monat hier bin, fällt es mir tatsächlich schwer zu realisieren, dass soetwas gerade hier passiert. Ich habe in diesem einen Monat Neuseeland und seine Einwohner genau als das kennengelernt, wofür sie weltweit bekannt sind - ein unglaublich offenes, zugewandtes und freundliches Volk, für das das Miteinander und die Akzeptanz eines jeden Individuums zu den wichtigsten gesellschaftlichen Werten überhaupt gehört. Mir ist natürlich bewusst, dass es auch hier verdammt viele gesellschaftliche Probleme gibt und dass ich in dem Universitätsumfeld von Dunedin und als Ausländer 95% davon nicht wahrnehme, weil diese Probleme anderswo stattfinden. Trotzdem hat diese Extremform von Rassismus absolut gar nichts gemein mit dem Neuseeland, das ich bisher kennengelernt habe und es ist mir einfach wichtig, das zu betonen - da genau das viele Kiwis hier selbst gerade so bedrückt und erschüttert. Leider ist es eine traurige Realität - wo immer es auf dieser Welt Menschen gibt, gibt es auch Idioten, Leute die voller Hass sind, Leute die ausflippen, Leute die Aufmerksamkeit suchen, Leute die sich am Leid anderer ergötzen. Leute, die ideologisch verblendet sind oder die irgendeine Begründung suchen, anderen zu schaden, auch wenn es dafür keine Begründung gibt. Es tut mir unglaublich Leid für Christchurch und für alle, die nun - möglicherweise nach 2011 schon zum wiederholten Male - um Angehörige, Freunde und Bekannte trauern.

Fakt ist jedoch auch, trotz dem dass immer und überall etwas passieren kann: Ich fühle mich in diesem Land, das auf der gesamten Südinsel gerade einmal eine Million Einwohner zählt - und damit in etwa so viele wie Köln - so sicher, wie bisher in fast keinem anderen Land, in dem ich war; und das hat sich auch seit gestern nicht geändert.

---------------

Trotz dieser absolut tragischen Ereignisse, möchte ich die schönen Momente dieser Woche nicht einfach untergehen lassen - hier also wieder mal ein kleiner Wochenrückblick.

Am Dienstag habe ich neben meinen normalen Vorlesungen eine Veranstaltung des Career Service der Uni besucht, bei dem sich das Dunedin-Büro von Deloitte vorgestellt und viele Informationen zum Bewerbungsprozess und den Bewerbungsunterlagen (CV, cover letter) gegeben hat. Das war mal ziemlich interessant, auch um zu sehen wie sich die Bewerbungsabläufe und -vorgaben hier von denen in Deutschland unterscheiden.

Weil das Wetter am Dienstag noch wunderschön sommerlich und sonnig war, habe ich die Gelegenheit genutzt, mal ein paar Fotos vom Campus zu machen. Der Großteil der Universitätsgebäude konzentriert sich rund um das markante Clocktower Building. Mitten durch den Campus hindurch fließt der kleine Fluss Leith und entlang des Leith verläuft auch die Castle Street, in deren nördlichen Abschnitt viele Uniflats liegen und die hier als eine der Haupt-Party-Straßen berühmt-berüchtigt ist. Eines der wichtigsten und größten Gebäude ist jenes, in dem sich die Hauptbibliothek der Universität befindet. Neben der Bibliothek gibt es hier auch mehrere Cafés, eine große zentrale Erstanlaufstelle für sämtliche Fragen rund um die Uni sowie diverse speziellere Anlaufstellen, Clubräume und vieles mehr. Natürlich gibt es noch einige weitere wichtige Gebäude, darunter das hier nicht abgebildete OUSA Clubs and Socities Centre, in dem viele Kurse stattfinden, Clubs ihre Clubräume haben und wo man nahezu täglich günstig für 3$ zu Mittag essen kann. Eine Sauna und öffentliche Duschen gibt es dort auch. Dann gibt es noch die recht große Otago Business School, das Uniflats-Haus sowie viele Gebäude, in denen unter anderem Hörsäle und Seminarräume sowie teils noch weitere Cafés untergebracht sind.

Am Dienstagabend fand vom Tramping Club das Pre-Meet für den Wochenendtrip ins Fiordland statt, bei dem ich aber diesmal wie schon erwartet keinen Platz erhalten habe. Dafür konnte ich mich aber in die Warteliste eintragen, damit ich beim nächsten Trip Mitte April höhere Chancen auf einen Platz habe.

Am Mittwochnachmittag wären wir eigentlich mit dem Tramping Club zum Klettern an den Long Beach gefahren, allerdings fiel das nach etwas Chaos leider flach - erst regnete es, und als der Regen schließlich doch aufhörte, hatten wir kein Auto um dorthin zu kommen. Also habe ich stattdessen dann noch meine Wocheneinkäufe erledigt. Hoffentlich haben wir nächste Woche endlich mal Glück, denn die Klettersaison geht sowieso nur noch 3 Wochen und die ersten 3 Kletterwochen sind nun leider schon vorbei.

Gestern Morgen mussten wir erstmal zu Uniflats, um dort alle unsere elektrischen Geräte und Kabel auf ihre Sicherheit testen zu lassen. Zum Glück ging das relativ schnell und ich bekam alles ohne Beanstandungen wieder :-)

Da das Wetter so gut war, bin ich am frühen Nachmittag mit Rebecca in den Norden Dunedins zur Baldwin Street gefahren, laut Guinness-Buch der Rekorde die steilste Straße der Welt. Das ist auf jeden Fall ganz lustig, wenn man sowieso hier in der Stadt ist - extra dafür einen Umweg nach Dunedin fahren, was tatsächlich viele Touristen machen, würde ich allerdings nicht. Die Baldwin Street hat an ihrer steilsten Stelle eine Steigung von 35% und beim Hochlaufen kann einem schon ganz schön die Puste ausgehen. :D Dafür gibt es am oberen Ende immerhin eine Bank und einen Trinkwasserbrunnen.

  

Auf dem Rückweg zu unserer Wohnung meinte Rebecca dann nach einem Blick auf ihr Handy plötzlich, dass die große Parade zum 150. Bestehen der Universität, die eigentlich heute stattfinden sollte, scheinbar abgesagt wurde. Noch rätselratend ob der Gründe liefen wir zu Fuß zurück und machten unterwegs Fotos einiger exzess-geplagter Studenten-WGs, für die Dunedin auch (nicht nur positiv) bekannt ist.

Als wir gegen 16.50 Uhr wieder nach Hause kamen, folgte dann nach 2 Minuten der Schock - als ich meinen PC einschaltete, fand ich in meinem Postfach mehrere E-Mails der Universität, in denen mitgeteilt wurde, dass es in Christchurch in unmittelbarer Nähe des Campus eine Katastrophe gegeben hatte, der Campus abgeriegelt war und niemand das Gebäude, in dem er sich befindet, verlassen dürfe. Die University of Otago hat nicht nur in Dunedin, sondern auch in 4 weiteren neuseeländischen Städten einen Campus, darunter größere sowohl in Christchurch als auch in Wellington. Da die E-Mail keine näheren Details enthielt, dachte ich zunächst an einen Amoklauf in der Universität in Christchurch. Erst als ich auf der neuseeländischen Nachrichtenseite nachschauen wollte, mir aber vorher schon die Schlagzeile der deutschen FAZ ins Auge sprang, wurde mir klar, dass wohl etwas noch drastischeres passiert sein musste. Wie ich kurze Zeit später feststellte, war Neuseeland zu diesem Zeitpunkt bereits oberste Schlagzeile in sämtlichen deutschen Tageszeitungen, obwohl es in Deutschland gerade mal 5 Uhr morgens war.

Die folgende Stunde war eine Mischung aus Unsicherheit, betretenem Schweigen und Gesprächen in unserer WG, da niemand so wirklich wusste, was passiert war und wie wir uns verhalten sollten. Um 18 Uhr sollte eigentlich noch ein Cultural Evening des Otago International Friendship Network stattfinden. In der folgenden Stunde kamen nach und nach weitere E-Mails der Universität sowie der deutschen Botschaft, mit mehr Informationen. Wir entschieden uns dann dazu, trotzdem zu der geplanten Veranstaltung des Friendship Network in die Uni zu gehen. Letztlich waren wir nur ein paar wenige Leute und Feierstimmung war gerade sowieso nicht, aber ein paar nette Gespräche bei Kuchen taten uns trotzdem allen gut.

Die offiziellen Veranstaltungen für dieses Wochenende wurden alle abgesagt, aber ich hatte geplant mit ein paar Leuten vom AAPES Club heute morgen zum Mount Cargill zu wandern, und das haben wir dann auch gemacht. Mount Cargill ist ein 676 m hoher Berg nördlich von Dunedin und vom Gipfel aus hat man eine wunderschöne Aussicht auf Dunedin, die Umgebung von Dunedin und die gesamte Otago Peninsula. Knapp unterhalb gibt es noch weitere Gipfel, darunter Butters Peak und Mt Holmes mit den sogenannten Organ Pipes, die beide ebenfalls Teil unserer Wanderung waren. Die Organ Pipes sind Felsformationen, die aus hunderten oder tausenden meist hexagonalen Basaltsäulen bestehen und um ganz nach oben zu kommen, ist Klettern angesagt. Beim Abstieg vom Mount Cargill sind wir noch durchs Bethune's Gully gewandert. Der Weg ist super schön, da er von unten betrachtet erst durch einen Wald mit uralten, hohen Douglasien führt und etwas weiter oben dann in den hier weit verbreiteten grünen Nebelwald übergeht. Außerdem kann man hier eine Reihe verschiedener Vögel beobachten, darunter auch der "fantail" oder Neuseelandfächerschwanz. Da wir kein Auto hatten, sind wir zu Fuß vom Campus aus gelaufen und die gesamte Rundwanderung war insgesamt gut 24 km lang.

Gegen 15.30 Uhr waren wir wieder zuhause, hungrig, platt und mit Sonnenbrand - vor allem an den Händen, die ich dummerweise nicht eingecremt hatte. Aber das Wetter war den ganzen Tag über absolut traumhaft und ich bin froh, dass wir das genutzt haben.

Den Rest des Wochenendes werde ich wahrscheinlich nicht mehr viel machen, außer lernen. Morgen ist hier St Patricks Day, was - wenn ich mir die Party, die gerade ein paar Häuser weiter stattfindet, anhöre - vermutlich mal wieder ziemlich chaotisch und für einige im Komasuff bzw. im Krankenhaus enden wird. Ob das angesichts der aktuellen Ereignisse angemessen ist, im Hinblick darauf, dass sowohl Polizei als auch Rettungskräfte an diesem Wochenende auch in Dunedin definitiv schon mehr als genug durchgemacht haben...na ja.

Ansonsten habe ich vorgestern nach ewigem Hin- und Herüberlegen noch Hüttentickets für den Routeburn Track für übernächstes Wochenende gebucht. Der Routeburn Track ist einer der Great Walks und im Fiordland von insgesamt dreien der kürzeste und einfachste - insgesamt 33 km (+ ein paar Kilometer optionale Side Tracks) in 3 Tagen mit 2 Hüttenübernachtungen. Ich bin super gespannt darauf, da das meine erste Mehrtageswanderung mit Gepäck wird - bin aber überzeugt, dass es super schön wird. Drückt mir mal die Daumen, dass das Wetter mitspielt :-)