Dienstag, 05.03.2019

Erste Vorlesungswoche und eine Reise ins Paradies

Nach einer ziemlich ereignisreichen und vollgepackten Orientierungswoche begann letzten Montag hier wieder die reguläre Vorlesungszeit, womit so langsam ein bisschen erster Alltag einkehrt. Mein Stundenplan ist zum Glück ziemlich entspannt - meine früheste (allerdings unregelmäßige) Veranstaltung beginnt um 10 Uhr, meine spätesten Vorlesungen enden um 18 Uhr und freitags habe ich frei. Angesichts dessen, dass das Studium im Auslandssemester jetzt keinen ganz so hohen Stellenwert hat wie daheim, bin ich damit ziemlich zufrieden. ;-) Für mein Studium in Köln kann ich mir ohnehin nur 2 der 3 Module anrechnen lassen und das ohne, dass die Noten in mein Studium in Köln übernommen werden. Die drei Kurse, die ich hier belege, sind "Marketing Management", "Business and Society" und "Introduction to Conversational Maori". Bisher ist alles ganz interessant, allerdings ist das relativ verschulte System für mich noch recht gewöhnungsbedürftig - fast jede Woche müssen irgendwelche Aufgaben eingereicht werden oder es gibt kurze Prüfungsleistungen. Dafür macht die Abschlussprüfung am Ende des Semesters dann in der Regel auch nur noch 50% der Gesamtnote aus. In der ersten Woche gab es noch keine Tutorien und in den ersten Vorlesungen ging es überwiegend um Organisatorisches, von daher war die Woche sehr entspannt. Am allermeisten genieße ich hier aber sowieso, dass ich in 10 Minuten zu Fuß in der Uni bin. Das ist gegenüber der Pendelei nach Köln einfach sooo viel angenehmer!

Am Dienstagabend hatten wir dann ein Pre-Meet vom Tramping Club für eine Clubfahrt am Wochenende in einen Ort namens "Paradise". Der Tramping Club veranstaltet jedes Semester 3 größere Fahrten mit verschiedenen Wanderungen übers Wochenende und Paradise war die erste davon. Beim Pre-Meet wurden der grobe Plan für das Wochenende und die verschiedenen Wanderungen vorgestellt, die an dem Wochenende stattfinden. Es gab insgesamt 11 verschiedene Wanderungen in unterschiedlichen Schwierigkeiten und 80 verfügbare Plätze, wobei zu dem Pre-Meet knapp 250 Leute kamen. Bei den einfacheren Wanderungen gab es jeweils bis zu 12 Plätze, bei den schwierigsten nur jeweils 3 Plätze. Für jede Wanderung gab es einen Lostopf und man konnte seinen Zettel dann in den Topf für die Wanderung werfen, die einen am meisten interessierte. Ich hatte tatsächlich Losglück und erhielt einen Platz für die Wanderung auf den Mount Alfred.

Die nächsten Tage stand also vor allem erstmal ein bisschen "Shopping" an, denn ich brauchte noch eine Isomatte, Campinggeschirr und ein paar Wanderklamotten, da ich aus Deutschland nur die wichtigsten Sachen wie Schlafsack, Wanderschuhe und eine Wanderhose mitgenommen hatte. Zum Glück gibt es hier im K-Mart einige Sachen ziemlich günstig (die Isomatte kostet zum Beispiel umgerechnet gerade mal 6 Euro). Außerdem hat der Trampingclub eine Kooperation mit einem Outdoorgeschäft in Dunedin, wo man als Mitglied Rabatt bekommt und die Leute dort sind total nett und hilfsbereit und beraten einen zu allem, was man zum Wandern in Neuseeland so braucht.

Am Mittwochabend fand dann noch ein "cultural evening" vom Otago International Friendship Network statt. Das war ziemlich cool, weil man dort noch mal eine Reihe anderer internationaler Studenten kennenlernen konnte. Und vor allem habe ich dort viele Leute getroffen, die auch in dem gleichen Uniflat-Komplex wohnen - also quasi meine Nachbarn. Die Gelegenheit wurde dann auch gleich mal genutzt, um eine gemeinsame Hausparty am Wochenende zu planen - leider für den Freitagabend, wo ich mit dem Tramping Club nach Paradise fuhr. Bei dem cultural evening wurden uns außerdem noch einige der wichtigsten neuseeländischen Vokabeln beigebracht und wir konnten ein paar typisch neuseeländische Spezialitäten probieren, darunter das Getränk "Spider". Spider ist nichts anderes als Cola mit Vanilleeis. Klingt extrem merkwürdig? Ist es auch, aber ehrlich gesagt schmeckt das wirklich gar nicht mal schlecht :D

Am Freitag startete dann auch schon unsere Fahrt mit dem Tramping-Club. Am Freitagabend trafen wir uns gegen 17 Uhr und fuhren mit Bus und Vans gemeinsam zum Campingplatz nach Paradise, ein kleines Stück hinter Glenorchy nördlich des Lake Wakatipu gelegen (habe den Ort zu dem Eintrag hier in der Karte oben markiert). Unterwegs machten wir noch einen Zwischenstopp zum Abendessen in einem kleinen Ort namens Alexandra. Bereits auf der Fahrt war ich von dem Sternenhimmel fasziniert, als wir mit Queenstown die letzte größere Stadt ein Stück hinter uns gelassen hatten. Wir erreichten den Campingplatz im Stockfinstern um kurz nach Mitternacht und der Sternenhimmel, der sich beim Aussteigen über uns auftat, war absolut fantastisch. Der Himmel war komplett wolkenlos und da wir hier mitten im Nirgendwo waren, war selbst die Milchstraße perfekt zu sehen. Im Schein der Taschenlampen schleppten wir unsere Rucksäcke und Campingausrüstung in den hinteren Teil des Campingplatzes und befestigten die Zeltplanen an den Bäumen und herumliegenden Baumstämmen. Ein paar Leute hatten richtige Zelte dabei, die meisten von uns schliefen aber einfach in größeren Gruppen unter den Zeltplanen. Zum Glück gibt es in Neuseeland keine giftigen Krabbeltiere, das war also erstmal eine nette kleine Vorübung für Australien. :D Nerviger als die Spinnen am Boden waren allerdings die Sandfliegen, die uns in den kommenden beiden Tagen noch ziemlich ärgern sollten. Da es bereits so spät und zudem eiskalt war, wurden dann nur noch die Isomatten ausgerollt und flugs krabbelten wir alle in unsere Schlafsäcke. Nachts hatte es hier nur knapp über 0°C. Mein Schlafsack ist zwar schon ziemlich warm, trotzdem war mir aber ohne weitere Decke dann doch ein bisschen kalt. Außerdem hatte ich dummerweise meine Ohrstöpsel nicht griffbereit. Mir war das im Dunkeln nicht direkt aufgefallen, aber die Zeltplane unter der ich lag, hatten wir direkt neben einem Fluss aufgebaut, der neben dem Campingplatz fließt und ziemlich laut ist. Obwohl das Geräusch schön war, konnte man dabei nicht wirklich schlafen. Letztlich haben wir in der ersten Nacht aber alle nicht wirklich geschlafen sondern mehr gedöst und uns ein bisschen ausgeruht.

Am nächsten Morgen fanden wir uns dann in unseren jeweiligen Wandergruppen zum Frühstück zusammen. Einige Gruppen, die lange und schwierige Touren (12 Std. +) vor sich hatten, waren bereits in aller Frühe aufgebrochen. Unsere Gruppe startete erst um 8.30 Uhr, wir hatten aber auch "nur" eine 6-stündige Wanderung vor uns. Zum Frühstück und zum Aufwärmen gab es erstmal noch einen leckeren warmen Porridge. Dann fuhr uns eine der Organisatorinnen zum Startpunkt unserer Wanderung am Fuße des Mount Alfred, wo der "Forest Track" beginnt.

Wer mit einem richtigen Wanderweg gerechnet hatte, wurde nun sehr schnell mit der Realität des Wanderns in Neuseeland konfrontiert. Bei dem Forest Track handelte es sich um einen schmalen Pfad, der im Zick-Zack meist sehr steil durch den Regenwald den Berg hinaufführte. Zu Beginn war der Weg an vielen Stellen beinahe überwuchert, etwas höher wurde das ganze mehr zu einer Mischung aus Wandern und Böschungen hochklettern bzw. durch kleinere Schluchten runter- und wieder hochklettern. Wegen starken Schneefalls im vergangenen Oktober waren sehr viele Bäume umgekippt oder die Böschung hinuntergestürzt, sodass an vielen Stellen dünne, dicke und manchmal mehrere Baumstämme den Weg versperrten. Mir hat das Klettern durchaus Spaß gemacht, aber ich bin froh, dass wir so absolut perfektes Wetter hatten. Bei Regen hätte ich den Berg nicht hochklettern wollen, denn bereits die wenigen Stellen, die von den letzten Regenfällen oder Wasserläufen noch nass waren, waren sehr rutschig und man musste aufpassen, wo man hintrat.

Nach etwa 3 Stunden und vielen Pausen erreichten wir endlich die Baumgrenze und ließen uns erstmal zum Mittagessen nieder, denn Wandern macht hungrig (ich hatte natürlich auf dem Weg nach oben schon ungefähr 6 Müsliriegel und eine Tüte Karotten aufgefuttert :D).

Nach der Pause setzten wir dann unseren Weg oberhalb der Baumgrenze fort, wobei sich eine fantastische Aussicht vor uns auftat, die die Mühen der Kletterei allemal belohnte. Nur 3 von uns kletterten bis ganz hoch auf den Gipfel, einige andere und ich stoppten ca. 100m unterhalb, da uns das Terrain danach zu unsicher wurde - wir mussten ja nicht nur hoch, sondern auch wieder runterkommen. Die Aussicht war so oder so beeindruckend. Unterhalb konnte man das nördliche Ende des Lake Wakatipu und das Dart River Valley sehen, auf der anderen Seite die teils noch etwas schneebedeckten Gipfel der Berge rundherum.

Nachdem wir ausgiebig die Aussicht genossen und viel zu viele Fotos gemacht hatten, begaben wir uns langsam und vorsichtig wieder an den Abstieg. Gegen 15 Uhr erreichten wir schließlich wieder den Parkplatz, wo wir allerdings noch über eine Stunde in der Sonne warten mussten, bis wir wieder abgeholt wurden.

Zurück auf dem Campingplatz hatte ich dann wie einige andere auch erstmal das Bedürfnis nach einer Abkühlung. Die gab es in Form eines Bades im Routeburn River. So glasklar und blau wie der Fluss war, so eiskalt war er allerdings auch. Länger als wenige Sekunden hielt es keiner im Wasser aus, aber zumindest war es sehr erfrischend und ein guter Ersatz für die nicht vorhandene Dusche. :D

Abends gab es dann einen Kochwettbewerb unserer Gruppenleiter. Unsere drei Teamleader, Annie, Becky und Eilish zauberten uns auf dem Campinggrill super leckere Veggieburger aus insgesamt 18 Zutaten und sahnten damit den Gewinn für das Hauptgericht ab. Zum Nachtisch gab es bei uns Applecrumble mit Vanillepudding...was für ein Camperleben! :D

Später am Abend wurden dann noch alle möglichen Spiele gespielt, ein Geburtstagslied für einen Mitcamper gesungen, Bierchen getrunken und zum Abschluss gab es noch eine Runde Worm Wrestling. Dabei treten in einer abgesteckten "Arena" zwei Camper in Schlafsäcken stehend gegeneinander an - Arme benutzen ist verboten und wer zuerst fällt oder aus der Arena geschubst wird, hat verloren. Ich hab mich dann irgendwann noch ein bisschen auf den Parkplatz gesetzt, den Sternenhimmel genossen und versucht, mal wieder ein paar neue Sternbilder zu lernen. :D Da wir von unseren Wanderungen alle hundemüde waren, schliefen wir in dieser Nacht erstaunlich gut.

Am nächsten Morgen stand nach dem Frühstück noch ein Rivercrossing-Training im Fluss neben dem Campingplatz statt. Ausgerüstet mit großen Backpacks und Wanderschuhen übten wir, in Vierergruppen den Fluss sicher zu durchqueren. Das hat Spaß gemacht, war allerdings ziemlich kalt (der gleiche Fluss wie am Vortag - mit wahrscheinlich etwas unter 10°C Wassertemperatur) und natürlich nass. Ich hatte schlauerweise als Zweitschuhe lediglich meine Flipflops dabei...sehr Kiwi-mäßig! :D Nach dem Rivercrossing packten wir unsere Sachen zusammen und ein paar Leute nutzten die restliche Zeit und die Tatsache, dass sie eh schon nass waren, um noch mal ein kurzes Bad im Fluss zu nehmen. Gegen 13 Uhr machten wir uns schließlich auf den Rückweg. Unterwegs machten wir aber noch eine Pause am Lake Wakatipu, wo einige noch mal schwimmen gingen. Die Kulisse hier war absolut traumhaft und ich war ein bisschen traurig, dass ich meine noch nassen Badesachen in das große Backpack gepackt hatte, das irgendwo im Gepäckfach des Busses lag. Das einzige, was die Idylle störte, waren die Sandflies, die an dieser Stelle zu Tausenden rumflogen, sodass man gefühlt mindestens 50 davon gleichzeitig auf Armen, Beinen und sonst überall sitzen hatte. Wer vorher noch nicht komplett zerstochen war, war es spätestens jetzt - und leider scheinen die Viecher mittlerweile gegen so ziemlich alle herkömmlichen Abwehrsprays immun zu sein, denn obwohl wir alle mit den verschiedensten Sachen eingesprüht waren, ließen sie sich nicht abschrecken. Aber gut, das gehört auf der Südinsel wohl dazu. Angeblich beginnt man nach 10.000 Stichen irgendwann langsam eine Immunität zu entwickeln, sodass die Bisse nicht mehr ganz so arg jucken. Na dann :D

Einen zweiten Zwischenstopp, diesmal zum Mittagessen, legten wir schließlich noch in Queenstown ein. Das war ganz cool, da es auf dem Hinweg bereits dunkel gewesen war und wir jetzt zumindest mal einen kurzen ersten Eindruck der Stadt bekamen. Queenstown ist in Neuseeland DIE Touristen- und Abenteuerstadt schlechthin und der Großteil der Ladenlokale in der Innenstadt wird von Anbietern für alle möglichen Extremsportarten, Erlebnistouren etc. genutzt. Zugegebenermaßen muss man aber auch sagen, dass Queenstown nunmal eine einzigartig schöne Lage am Ufer des Lake Wakatipu hat, umgeben von den schneebedeckten Berggipfeln der neuseeländischen Alpen. Irgendwann an einem der kommenden Wochenenden stehen sowohl Queenstown als auch Wanaka auf jeden Fall noch mal auf meiner To-Visit-Liste - vor allem Wanaka, das mir bisher von ausnahmslos jedem hier als einer der schönsten Orte empfohlen wurde.

Gegen 20 Uhr waren wir wieder zurück in Dunedin. Gemeinsam mit meiner Mitbewohnerin Hanne, die auch auf dem Trip war, fuhr ich dann noch kurz zum Supermarkt und machte mich anschließend ans Auspacken und Aufräumen, ehe ich - wie immer viel zu spät - irgendwann ziemlich hundemüde ins Bett fiel. Zum Glück hatte ich aber gestern erst um 12 Uhr Vorlesung und konnte dementsprechend erstmal ausschlafen. So schön das Campen jedes Mal ist, so schön ist es dann trotzdem auch, wieder ein richtiges Bett zu haben. :D